Sakralräume als Europäische Erinnerungsorte: "Potentiale entwickeln, Kompetenzen stärken"
Ein EU-Projekt (Laufzeit 01.09.2015 – 31.10.2017) im Programm Erasmus+, in dem Partnereinrichtungen aus Deutschland, den Niederlanden, Österreich, Tschechien, Polen, Rumänien, Italien und Litauen vor dem Hintergrund des "Kirchensterbens" in Europa die Suche nach Perspektiven für das religiöse Bauerbe Europas durch Konzipierung innovativer Bildungsressourcen unterstützen.
Die Projektpartner leitet das Ziel, der Öffentlichkeit Sakralräume als kulturelles Kapital zu erschließen. Exemplarisch wird dies durch Sakralräume als „Europäische Erinnerungsorte“ aufgezeigt, die in besonderer Weise gemeinsame europäische Identität und „kulturelle Beheimatung“ verkörpern, weshalb ihre Bedeutung auch über die eines Religionsortes oder einer „Sehenswürdigkeit“ hinausreicht.
Im Projekt arbeiten zehn sehr unterschiedliche Partnereinrichtungen aus acht Ländern zusammen – von der Kirchengemeinde bis zur Universität:
Otto Bartning-Arbeitsgemeinschaft Kirchenbau e.V. (Projektkoordination)
Herzogsägmühle
Kerk in Den Haag
Dezinnen
TU Liberec
Borussia Olsztyn
Teutsch-Haus Sibiu|Hermannstadt
Ev.-Luth. Kirchengemeinde Sudargas
Kulturzentrum bei den Minoriten in Graz
CLIDANTE in Rom
Entwicklung von Lernmodulen
Räume der Religion sind und waren immer besondere Räume. Sie sind auch kulturelles Kapital und viele gehören zu einer europäischen "Erinnerungskultur" – als Zeugnisse für Entwicklungen, die unsere gemeinsame Geschichte und Identität in Europa prägen. So bestimmen das Projekt Themen wie Völkerverständigung, die Suche nach Sinn in der modernen Welt, die Erneuerung religiösen Denkens zu verschiedenen Zeiten, das Verhältnis der Religionen zueinander, das Schicksal von Minderheiten, Migration, Flucht und Vertreibung – mit entsprechenden Erinnerungsorten. Hierzu entwickeln die Projektpartner spezielle Bildungsangebote, sog. "Lernmodule" zum Informations- und Wissenstransfer für unterschiedlichste Zielgruppen.
Alle weiterführenden Information gibt es hier.
Sakralräume als Europäische Erinnerungsorte: Das Lernmodul Herzogsägmühle
Die Martinskirche: Gemeinschaft leben – Kulturen verbinden
Ein Erinnerungsort ist die Martinskirche für diejenigen, die ihre Bauzeit und Nutzung in frühen Jahren miterlebt haben. Gerne wird daran zurückgedacht, wie das kleine als "Notkirche" konzipierte Gebäude in gemeinsamer Anstrengung einer internationalen Gruppe von Studierenden und Herzogsägmühler BewohnerInnen entstand – angeleitet von Fachleuten, zu denen auch der Architekt Otto Bartning persönlich gehörte.
Für alle anderen ist die Kirche schlicht eine reguläre Kirche der Evang.-Luth. Kirchengemeinde Peiting-Herzogsägmühle und gleichzeitig Kirchenraum der diakonischen Einrichtung Herzogsägmühle. Sie dient gleichsam der Feier von Gottesdiensten und Andachten und als besonderer Ort für zahlreiche weitere Veranstaltungen von Ortskirchengemeinde und Diakonie.
Die Bedeutung der Kirche als Erinnerungsort mit europäischer, gar internationaler Geschichte wird weder ersichtlich, noch ist sie in den Köpfen der Besucherinnen und Besucher der Kirche präsent. Während Studierendenaustausche heute gang und gäbe sind, war es damals für Herzogsägmühle, für Mitarbeitende wie für BewohnerInnen, ein außergewöhnliches Zeichen von Vergebung und Versöhnung der Völker: Insgesamt 20 junge Menschen aus USA, Finnland, Norwegen, Estland, Lettland, Litauen, Ungarn und Frankreich kamen nach Deutschland, um vereint im christlichen Glauben – und Gott weiß aus welcher Motivation noch – für die Menschen des Landes eines Kirche aufzubauen, von dessen Boden der Zweite Weltkrieg ausging und unermessliches Leid über Europa und die Welt gebracht hat. Ziel des Lernmoduls ist es, diese Lücke zu schließen und die Bedeutung der Kirche als Erinnerungsort in die Gegenwart holen.
Zielgruppen sind erwachsene Besucherinnen und Besucher von Herzogsägmühle, haupt- und ehrenamtliches Bildungspersonal des Lernortes Sozialdorf Herzogsägmühle, angehende KirchenführerInnen des Dekanats und Studierende der Katholischen Stiftungsfachhochschule München, Abteilung Benediktbeuern.
Zur Beschreibung des Lernmoduls
Das Lernmodul setzt auf ein entdeckendes, individualisiertes und selbsttätiges Lernen in Einzelarbeit mit Medien und am Originalschauplatz. Kern der Methodik ist der Einsatz von audiovisuellen Medien mit Anleitung zur Selbstreflexion unter Einbezug der Eindrücke und Empfindungen der Nutzenden am Erinnerungsort selbst. Das Betrachten von Bildern und Filmen und das Anhören von Audio-Dateien werden zu einem aktiven Vorgang (Informationen werden erkannt, entschlüsselt, interpretiert). Wer die benötigte Hardware (Smartphone oder Tablet) nicht bei sich hat, kann sie vor Ort ausleihen.
Zum Webtool "Lernmodul Martinskirche"
Ein besonderes Highlight ist die Entwicklung eines Tastmodells, welches die barrierearme und damit inklusive technische Umsetzung des Lernmoduls konsequent fortsetzt und es um eine weitere Sinneserfahrung bereichert. An die Stelle einer bloßen Reproduktion von Fakten tritt ein einfühlendes Verstehen, was einen Transfer der historischen Botschaften in die Realität der Nutzenden möglich macht. Aus Lernen wird (Persönlichkeits-)Bildung.
Den Bericht zur feierlichen Übergabe des Tastmodells Martinkirche finden Sie hier.