6.-8. Mai 2015: Fachtagung "Soziale Arbeit - (k)ein Ort für Menschenrechte?"
Vom 6. bis 8. Mai fand die Fachtagung „Soziale Arbeit- (k)ein Ort der Menschenrechte? Stand der Aufarbeitung und Formen der Vermittlung“ an den beiden Veranstaltungsorten Herzogsägmühle und KSFH Benediktbeuern statt.
Veranstalter waren der Verein Dorfentwicklung und Landespflege Herzogsägmühle e.V. im Rahmen des Projekts "Lernort Sozialdorf Herzogsägmühle", die Katholische Stiftungsfachhochschule München, Abteilung Benediktbeuern und die Heimatpflege des Bezirks Oberbayern.
Mit der Tagung wurden der Stand der Aufarbeitung von Gewalt- und Missbrauchserfahrungen in der Fürsorge der Nachkriegszeit beleuchtet sowie aktuelle Formen der Vermittlung in Deutschland und Österreich vorgestellt.
Die Eröffnungsveranstaltung am 6. Mai
Auftaktveranstaltung war die Ausstellungseröffnung „Im Abseits oder Mittendrin? 120 Jahre Herzogsägmühle“ am 6. Mai um 19 Uhr an der KSFH in Benediktbeuern. Die Wanderausstellung wird dort erstmals außerhalb der Region Peiting-Herzogsägmühle bis 30. Juni gezeigt, ergänzt von der Videoinstallation „Heimerziehung“ des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen. Prof. Dr. Annette Eberle, Professorin an der KSFH Benediktbeuern und Mitorganisatorin der Fachtagung, wies in ihrer Begrüßung auf die Aktualität der Menschenrechte in der Sozialen Arbeit hin.
Mit der bewegenden Lesung „Briefe aus der Anstalt“ von Michael Krone, untermalt durch Musik von David Bermudez, wurde der Abend kulturell-künstlerisch eröffnet. Gleichzeitig erschloss sich den Zuhörern ein intensives Bild der sozialen Situation von Fürsorgezöglingen.
Prof. Dr. Hermann Sollfrank, Präsident der KSFH, hob die Hochschule als Lernort hervor, an dem ausprobiert und kritisiert werden darf. Ebenso liefere die historische Reflexion die Grundlage für die heutige Profession der Sozialen Arbeit.
Dr. Norbert Göttler, Heimatpfleger des Bezirks Oberbayern, warf die Frage nach dem Zusammenhang von Heimat und Sozialer Arbeit auf. Das traditionelle Bild von Heimatpflege sei heute überholt, so Göttler, "Heimat" bedeutet auch gebrochene, innere Heimat(en) und damit die Beschäftigung mit der Zeitgeschichte und den Menschenrechten.
Andreas Kurz, Vereinsvorstand des Vereins Dorfentwicklung und Landespflege Herzogsägmühle e.V. und Tagungs-Mitorganisator führte in die Ausstellung „Im Abseits oder Mittendrin? 120 Jahre Herzogsägmühle“ ein, die im Rahmen des Projekts Lernort Sozialdorf Herzogsägmühle entstand.
Tag 2 am 7. Mai in Herzogsägmühle
Der zweite Tag der Fachtagung, mit dem Thema „Die 50er und 60er Jahre. Stationen der Aufarbeitung- Konsequenzen für die Orte/ Einrichtungen“, fand in Herzogsägmühle statt. Dank der Leader Projektförderung, die sich die Regionalentwicklung des Landkreises unter Zuhilfenahme von Mitteln der europäischen Union zum Ziel gesetzt hat, konnte die Fachtagung im Rainer-Endisch-Saal mit über 100 Teilnehmern realisiert werden.
Wilfried Knorr, Direktor Herzogsägmühle, begrüßte die Tagungsteilnehmer und bekräftigte die Wichtigkeit der Aufarbeitung der Geschichte, um Soziale Arbeit in Zukunft zu gestalten.
Dr. Uwe Kaminsky (Bochum) führte mit seinem Vortrag „Zur Situation der Heimerziehung in der BRD/ DDR“ in die Thematik der Heimerziehung ein. Beide Systeme stellen sich in der Praxis als totale Institutionen dar, die die Jugendlichen ausgebeutet und stigmatisiert haben.
Dr. Sascha Plangger (Innsbruck) beleuchtete in seinem Vortrag die Aufarbeitung der Behindertenhilfe am Beispiel Tirols. Dabei zeigte er den Wandel im Umgang mit Menschen mit Behinderung seit dem 19. Jahrhundert auf, und verwies auf die UN-Behindertenkonvention, die dringend umgesetzt werden müsse.
Anne Kirchberg (Göttingen) referierte zum bisher kaum erforschten Thema Jugendlicher im Jugendstrafvollzug. Dabei untersuchte sie Fallakten der 1950er bis 1970er Jahre und stellte die Frage nach Erziehungskonzepten und Reformen im Jugendstrafvollzug.
Prof. Dr. Susanne Nothhafft (KSFH München) stellte das Menschenrecht auf Aufarbeitung in den Mittelpunkt ihres Vortrages. Sie geht von einem System der Heimerziehung aus, das gegen Menschenrechte und gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen habe. Daraus ergeben sich, so Nothhafft, moralische, politische und rechtliche Verpflichtungen des Staates an der Aufarbeitung und Wiedergutmachung aktiv teilzuhaben.
Abschließend wurde durch ein Podiumsgespräch mit den ehemaligen Heimkindern Sonja Djurovic, Andreas Völker und Monika Wiesböck, moderiert von Prof. Dr. Annette Eberle und Prof. Dr. Susanne Nothhafft, die Sicht der Betroffenen in den Fokus gerückt. Gefordert wurde eine aktive Teilhabe an der Aufarbeitung und Rehabilitierung der ehemaligen Heimkinder durch die Gesellschaft, damit also eine materielle wie immaterielle Entschädigung der Betroffenen.
Mit den angebotenen Workshops am Nachmittag konnten die Tagungsteilnehmer nochmals in ein Thema vertieft einsteigen. Als Ausklang wurde ein kulinarischer Abend organisiert, der gerne angenommen und vom Cafe und Wirtshaus Herzog organisiert wurde.
Tag 3 am 8. Mai in Benediktbeuern
Der letzte Tagungstag, der in der KSFH in Benediktbeuern in Kooperation mit der Bayerischen Museumsakademie München stattfand, widmete sich dem Thema "Eine Sprache finden - Erfahrungen mit Ausstellungen und Zeitzeugenprojekten". Prof. Dr. Annette Eberle und Dr. Norbert Göttler begrüßten die Teilnehmer. Dr. Josef Kirmeier, MPZ München, ging in seiner Begrüßung und im Workshop "Ausstellungsprojekte mit Schulen" der Frage nach, wie Ausstellungen für und mit Schülern und Studenten gestaltet werden sollten.
In weiteren Workshops wurden Zeitzeugen- und Ausstellungsprojekte vorgestellt und diskutiert. Ingolf Notzke (Torgau) berichtete beispielsweise über die historisch-politische Bildungsarbeit im ehemaligen geschlossenen Jugendwerkhof Torgau. Neben der Bildungsarbeit mit Schülern, Zeitzeugenformaten und Ausstellungen ist die Gedenkstätte Torgau erste Anlauf- und Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder.
Als Fazit bei der abschließenden Diskussionsrunde wurde festgehalten, dass die Politik aktiv werden müsse. Es gehe bei der Aufarbeitung der Heimerziehung nicht nur um eine materielle Vergütung, sondern auch um eine Rehabilitierung der ehemaligen Heimkinder, um Entstigmatisierung und Anerkennung.
Anschließend konnten die Referenten und Teilnehmer die Fachtagung bei einem Mittagessen in der KSFH ausklingen lassen.