Wider das Vergessen
Kontroverse um Diakon Friedrich Goller * 10. April 1907, † 23. August 1964
Ringstraße 6, ehemals Lehrlingsheim und "Gollerhaus" genannt
Dieses Gebäude wurde 1964 nach dem ehemaligen Herzogsägmühler Direktor und Diakon Friedrich Goller (* 10. April 1907, † 23. August 1964,
Amtszeit in Herzogsägmühle von 1946–1964) benannt.
Licht und Schatten haben sein Wirken begleitet:
Friedrich Goller war Diakon der Brüderschaft Karlshöhe, arbeitete als Leiter von Jugendheimen der Inneren Mission München und wechselte
1940 zum Bayerischen Landesverband für Wander- und Heimatdienst (LVW). Er wurde Leiter des Erziehungsheims Indersdorf und war seit 1942 Leiter der Fürsorgeabteilung und zeitweise Betriebsleiter des Zentralwanderhofs Herzogsägmühle.
Im Zuge der Aufarbeitung der Geschichte von Herzogsägmühle während des Nationalsozialismus wurden Fragen laut nach Täterschaft und Verantwortung von Friedrich Goller.
Neben organisatorischen Leistungen wurde auch seine Mitwirkung an einer Fürsorge nachgewiesen, die letztlich verschiedene unangepasste und erziehungsschwierige Menschen einem ungewissen Schicksal in einem Lager oder in einer Heil- und Pflegeanstalt überantwortete, bis hin zu Todesfolgen.
Er stellt das Beispiel einer Fürsorge dar, die sich im Nationalsozialismus schwerer Verfehlungen schuldig gemacht hat.
Forschungsprojekt zur Geschichte der Einrichtung
Die Kontroverse um die Benennung eines Hauses in der Diakonie Herzogsägmühle nach einem Leiter, der in der NS-Zeit wie in der Nachkriegszeit gewirkt hat, gab Anlaß für ein innovatives Forschungsprojekt zur Geschichte der sogenannten "Wandererfürsorge" in Bayern. Es versprach nicht nur Einblicke in die Funktion einer heutigen Einrichtung der Diakonie sondern explizit zu den personellen Kontinuitäten zwischen der NS-Zeit und der frühen Bundesrepublik zu ermöglichen.
Bisherige Forschungen von Prof. Dr. Annette Eberle haben Friedrich Goller in die Tradition einer völkisch –rassenhygienischen Ausrichtung der Asozialenfürsorge und Instrument der NS Gesundheitspolitik eingeordnet, was die Frage nach der Anschlussfähigkeit an alle wichtigen NS Ideologeme vom Antidemokratismus über den Rassismus bis zum Antisemitismus provoziert.
Im Rahmen des Projektes in Zusammenarbeit mit Dr. Uwe Kaminsky galt es zu klären, wie die evangelische Herkunft des Direktors Friedrich Goller sich mit den Entscheidungen im Zentralwanderhof wie Deportationen, psychiatrische Untersuchungen oder Überweisungen in Konzentrationslager und Heil- und Pflegeanstalten verträgt.
Nach einer Entscheidung im Vorstand der Diakonie Herzogsägmühle, wird das Haus seit 2022 ohne Namensnennung als Ringstraße 6 geführt.
Die Ergebnisse der Forschung lesen Sie in der Publikation:
Uwe Kaminsky
Kontinuität und Diskontinuität in der Sozialen Arbeit - Der Diakon Friedrich Goller und seine Rolle in Herzogsägmühle
Publikation zum Herunterladen (pdf 5 MB)
Aufsatz von Annette Eberle:
Verantwortung und Täterschaft in der Zwangsfürsorge. Der Fall Friedrich Goller.
erschienen in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft ZfG 3/2022
Hier zum Nachlesen und Herunterladen (pdf 1,6 MB)
Veranstaltung in Herzogsägmühle:
Lesung Soziale Arbeit unter dem Hakenkreuz
Lesen Sie hier den Nachbericht zur szenischen Lesung mit Podiumsdiskussion vom 20.11.2021
Berichterstattung in den Schongauer Nachrichten vom 20.11.2021 (pdf 1 MB)